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Urteil Verwaltungsgericht (AG - AGVE 2019 12)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2019 12: Verwaltungsgericht

Der Fall betrifft einen Anspruch auf Familiennachzug für den Ehemann, der aufgrund eines DNA-Gutachtens bewiesen werden soll. Die Beschwerdeführerin wurde zunächst als Flüchtling anerkannt und heiratete später ihren Landsmann. Nachdem das Migrationsamt das Gesuch abgelehnt hatte, reichte die Beschwerdeführerin weitere Gutachten ein, die eine Verwandtschaft ausschlossen. Das Verwaltungsgericht entschied schliesslich, dass das Migrationsamt auf das Wiedererwägungsgesuch hätte eingehen müssen und wies den Fall zur erneuten Prüfung zurück. Die Gerichtskosten werden von der Staatskasse übernommen.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 12

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2019 12
Instanz:Verwaltungsgericht
Abteilung:-
Verwaltungsgericht  Entscheid AGVE 2019 12 vom 10.07.2019 (AG)
Datum:10.07.2019
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:12 Wiedererwägung; Eintreten; DNA-Gutachten
Schlagwörter: Einsprache; Recht; Gutachten; Verwaltungsgericht; Vorinstanz; Verfahren; Institut; Migration; Universität; Entscheid; Rechtsmedizin; Instituts; Einspracheentscheid; Gesuch; Verwandtschaft; Ehegatten; Ehemann; Firma; Halbgeschwister; Migrationsrecht; Familiennachzug; Obergericht; Abteilung; Integration; Akten; Begründung; Rechtsdienst; Halbgeschwisterschaft
Rechtsnorm:-
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2019 12

2019 Migrationsrecht 93

12 Wiedererwägung; Eintreten; DNA-Gutachten
Anspruch auf Eintreten auf Gesuch um Familiennachzug für den Ehe-
mann, wenn aufgrund eines neuen DNA-Verfahrens (mtDNA) bewiesen
werden kann, dass die Verwandtschaft der Ehegatten ausgeschlossen ist
(Erw. 2 f.)

2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 94
Entscheid des Verwaltungsgerichts, 2. Kammer, vom 10. Juli 2019, in
Sachen A. gegen Amt für Migration und Integration (WBE.2019.132).




A.
A. wurde mit Entscheid des BFM (heute SEM) vom 7. Juli 2011
als Flüchtling anerkannt, erhielt in der Folge im Kanton Aargau eine
Aufenthaltsbewilligung und zog 2012 ihren Sohn nach (Akten des
Amtes für Migration und Integration betreffend A. [MI-act.] 33 f.,
37, 199). Am 27. April 2015 heiratete sie in Schweden den Lands-
mann B. (Akten des Amtes für Migration und Integration betreffend
B. [MI1-act.] 78 ff.) und ersuchte um Erteilung einer Aufenthaltsbe-
willigung im Rahmen des Familiennachzugs für ihren Ehemann
(MI1-act. 57).
Nach Durchführung eines Abstammungsgutachtens der Firma
C. betreffend Verwandtschaft der Ehegatten (MI1-act. 97) wurde das
Gesuch durch das MIKA mit der Begründung abgelehnt, die Ehegat-
ten seien Halbgeschwister (MI1-act. 105 ff.).
Gegen diese Verfügung des MIKA erhob die Beschwerdeführe-
rin mit Eingabe vom 16. Dezember 2016 beim Rechtsdienst des
MIKA (Vorinstanz) Einsprache (MI1-act. 122 ff.) und reichte ein
zweites Abstammungsgutachten der Firma C. ein (MI1-act. 115 ff.),
welchem zu entnehmen ist, dass keine abschliessende Aussage be-
treffend Geschwisterschaft bzw. Halbgeschwisterschaft möglich sei.
Am 26. April 2017 wies die Vorinstanz die Einsprache ab (MI1-
act. 143 ff.), worauf der Entscheid in Rechtskraft erwuchs.
Die Beschwerdeführerin liess in der Folge beim Institut für
Rechtsmedizin der Universität D. ein weiteres Gutachten betreffend
die Verwandtschaft zwischen ihr und ihrem Ehemann erstellen. Ge-
mäss diesem Gutachten vom 14. Mai 2018 könne mit Sicherheit aus-
geschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann
von derselben Mutter abstammen würden und spreche der tiefe
Wahrscheinlichkeitswert gegen eine nahe Verwandtschaft väter-
2019 Migrationsrecht 95
licherseits (MI1-act. 159 ff.). Gestützt auf das Gutachten ersuchte die
Beschwerdeführerin das MIKA am 18. Mai 2018 um wiedererwä-
gungsweise Bewilligung des Familiennachzugs und Erteilung einer
Aufenthaltsbewilligung an ihren Ehemann (MI1-act. 167). Das
MIKA trat auf das Gesuch mit Schreiben vom 22. November 2018
formlos nicht ein und wies die Beschwerdeführerin mit Schreiben
vom 4. Dezember 2018 darauf hin, dass sie gegen den formlosen
Nichteintretensentscheid beim Rechtsdienst des MIKA Einsprache
erheben könne.
B.
Mit Eingabe vom 10. Dezember 2018 reichte die Beschwerde-
führerin beim Rechtsdienst des MIKA Einsprache ein (MI-
act. 177 ff.), worauf die Vorinstanz die Einsprache mit Entscheid
vom 15. März 2019 abwies (act. 1 ff.).
C.
Die Beschwerdeführerin erhob hierauf am 11. April 2019 beim
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgericht) Be-
schwerde und ersuchte unter anderem darum, die Vorinstanz sei an-
zuweisen, auf das Gesuch einzutreten (act. 9 ff.).
D.
Die Vorinstanz verzichtete im Rahmen des Schriftenwechsels
auf eine Beschwerdeantwort und reichte am 6. Mai 2019 die Akten
ein (act. 16). Nach vorgängigen telefonischen Abklärungen unter-
breitete der Instruktionsrichter dem Institut für Rechtsmedizin der
Universität D. diverse Fragen zu dessen Gutachten und zu den
beiden Gutachten der Firma C. (act. 17 ff.). Dem Antwortschreiben
des Instituts für Rechtsmedizin der Universität D. vom 20. Juni 2019
(act. 23 ff.) lässt sich entnehmen, dass weder aufgrund der ersten
beiden Gutachten der Firma C. noch aufgrund des Gutachtens des
Instituts für Rechtsmedizin der Universität D. vom Vorliegen einer
Halbgeschwisterschaft der Ehegatten ausgegangen werden kann.
Nach Zustellung des Antwortschreibens des Instituts für Rechtsmedi-
zin der Universität D. an die Parteien verzichtete die Vorinstanz auf
eine weitere Stellungnahme (act. 28 ff.).
2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 96
E.
Das Verwaltungsgericht hat den Fall am 10. Juli 2019 beraten
und entschieden.

I.
1.
Einspracheentscheide des MIKA können innert 30 Tagen seit
Zustellung mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezo-
gen werden (§ 9 Abs. 1 EGAR). Beschwerden sind schriftlich einzu-
reichen und müssen einen Antrag sowie eine Begründung enthalten;
der angefochtene Entscheid ist anzugeben, allfällige Beweismittel
sind zu bezeichnen und soweit möglich beizulegen (§ 2 Abs. 1
EGAR i.V.m. § 43 VRPG).
Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen den Einsprache-
entscheid der Vorinstanz vom 15. März 2019. Die Zuständigkeit des
Verwaltungsgerichts ist somit gegeben. Auf die frist- und formge-
recht eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten.
2.
Unter Vorbehalt abweichender bundesrechtlicher Vorschriften
oder Bestimmungen des EGAR können mit der Beschwerde an das
Verwaltungsgericht einzig Rechtsverletzungen, einschliesslich Über-
schreitung Missbrauch des Ermessens, und unrichtige un-
vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes gerügt
werden. Die Ermessensüberprüfung steht dem Gericht jedoch grund-
sätzlich nicht zu (§ 9 Abs. 2 EGAR; vgl. auch § 55 Abs. 1 VRPG).
II.
1.
Die Vorinstanz wies die Einsprache mit der Begründung ab, das
MIKA sei zu Recht auf das Wiedererwägungsgesuch nicht eingetre-
ten, weil ein rechtskräftiger Einspracheentscheid vorgelegen habe
und die Beschwerdeführerin das Gutachten des Instituts für Rechts-
medizin der Universität D. bereits im ersten Verfahren hätte einrei-
chen können.
2019 Migrationsrecht 97
Trat das MIKA auf ein Wiedererwägungsgesuch nicht ein und
wies die Vorinstanz die dagegen erhobene Einsprache ab, ist durch
das Verwaltungsgericht auf Beschwerde hin lediglich zu prüfen, ob
das Nichteintreten durch das MIKA und die hierauf erfolgte Abwei-
sung der Einsprache korrekt waren, ob das MIKA auf das Wie-
dererwägungsgesuch hätte eintreten müssen. Wird die Beschwerde
gutgeheissen, ist der vorinstanzliche Einspracheentscheid aufzuheben
und das Verfahren zur materiellen Beurteilung an das MIKA zurück-
zuweisen.
2.
Dem Antwortschreiben des Instituts für Rechtsmedizin der Uni-
versität D. vom 20. Juni 2019 ist zu entnehmen, dass die mit Gutach-
ten VS-Nr.: X. angewandte Methode des Einbezugs der mitochondri-
alen DNA (mtDNA) erstmals im Jahr 2016 angewandt worden sei,
jedoch nur in einzelnen Spezialfällen zur Feststellung der Identität
von unbekannten Leichen. Erst im Jahr 2017 seien erste Gutachten
im Rahmen von Abstammungsabklärungen erstellt worden, bei
denen auch die Analyse der mtDNA miteinbezogen worden sei,
wobei der vorliegende Fall zu diesen Fällen gehöre, bei denen die
Fragestellung die Beurteilung einer möglichen Voll- und/oder Halb-
geschwisterschaft betraf (act. 23 f.).
3.
Nach dem Gesagten erhellt klar, dass die Beschwerdeführerin
bis zum Einspracheentscheid vom 26. April 2017 nicht in der Lage
war, das entsprechende Gutachten vorzulegen. Das genannte Gutach-
ten ist demzufolge entgegen der im Einspracheentscheid vom
15. März 2019 vertretenen Auffassung als neues Beweismittel zu be-
trachten. Da gemäss diesem Gutachten nicht vom Vorliegen einer
Halbgeschwisterschaft der Ehegatten ausgegangen werden kann,
hätte das MIKA auf das Wiedererwägungsgesuch eintreten müssen.
Die Beschwerde ist damit gutzuheissen und das Verfahren ist an das
MIKA zurückzuweisen, verbunden mit der Anweisung, auf das Wie-
dererwägungsgesuch einzutreten.
2019 Obergericht, Abteilung Verwaltungsgericht 98
III.
1.
Gemäss § 31 Abs. 2 VRPG werden die Verfahrenskosten in der
Regel nach Massgabe des Unterliegens und Obsiegens auf die Par-
teien verlegt. Gleiches gilt gemäss § 32 Abs. 2 VRPG für die Partei-
kosten.
2.
Bei diesem Verfahrensausgang obsiegt die Beschwerdeführerin.
Nachdem das MIKA weder schwerwiegende Verfahrensmängel be-
gangen noch willkürlich entschieden hat, sind die Verfahrenskosten
auf die Staatskasse zu nehmen (§ 31 Abs. 2 VRPG). Der nicht an-
waltlich vertretenen Beschwerdeführerin sind keine Parteikosten zu
ersetzen.

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Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

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